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Verfasst von Markus Moos am .

eine Gruppe von Menschen beim Klettern - ein Mann hilft einer Frau nach oben

Die Zukunft der Führung

Der digitale Wandel bewirkt die stärksten Veränderungen der Arbeitswelt seit 10.000 Jahren. Dies erfordert einen Wandel von Führungskultur und Führungskompetenzen. Unternehmen und Führungskräfte, die sich diesem Wandel öffnen und ihn aktiv mitgestalten investieren in ihre Zukunftssicherheit.

Die Vergangenheit der Führung

In vielen Millionen Jahren Menschheitsgeschichte waren Führungseigenschaften bereits mehrfach Veränderungen unterworfen. Bei unseren tierischen Vorfahren war körperliche Überlegenheit, die entscheidende Führungskompetenz. Körperliche Überlegenheit? Bei dem einen oder anderen klingelt es da im Stammhirn. Auch bei Schulhofgangs war körperliche Überlegenheit, die Vorrausetzung, um den eigenen Führungsanspruch durchzusetzen, der von den körperlich Unterlegenen natürlich nicht in Frage gestellt wurde. Dies wäre mit Nachteilen verbunden gewesen.

Bis heute haben es hochgewachsene (also scheinbar körperlich überlegene) Menschen leichter in Führungspositionen aufzusteigen. Die Verbindung von körperlicher Kraft und Führungskompetenz scheint tief in uns verwurzelt zu sein.

 

Führung früher - grimmig blickender Affe demonstriert seinen Führungsanspruch

 

Aber nun zurück zu unseren Vorfahren. Bereits in der Steinzeit kam zu körperlicher Kraft eine zweite Führungskompetenz hinzu – Wissen. Wissen um die Zugwege der Beutetiere, Wissen um die Sammelstellen der Früchte, Wissen um die Kräfte des Kosmos.

Der endgültige Durchbruch von Wissen als Führungskompetenz erfolgte mit der Sesshaftwerdung der Menschen, die sich in unseren Breiten etwa vor 10.000 Jahren vollzog. Nun wurde Knowhow zum entscheidenden Überlebensfaktor: Wissen um die geeigneten Ackerfrüchte, die richtigen Zeitpunkte von Saat und Ernte und vieles mehr. Auch entwickelten sich nun die ersten Vorformen der Handwerksberufe. Mit Webern, Wagnern und Fischern entstanden die ersten Spezialisten. Mit der Entstehung von Schrift und frühen Hochkulturen verfestigte sich die Bedeutung von Wissen und Bildung. Der technologische Fortschritt ging sehr langsam voran, so dass die Perfektionierung des Wissens mit zunehmendem Lebensalter stieg.

 

Ein Schuhmacher in einer Werkstatt - Führung in der vorindustriellen Zeit

 

Werfen wir dazu einen Blick in eine vorindustrielle Schuhmacherwerkstatt. Der Inhaber und Meister entscheidet sich einen Lehrling einzustellen – häufig der eigene Sohn. Der Lehrling erlernt vom Meister die Kunst der Schuhherstellung und -reparatur. Die technologischen Rahmenbedingungen bleiben nahezu unverändert. Während der Lehrling neues Fachwissen erwirbt, erweitert der Meister ebenfalls seine Kenntnisse, indem er beispielsweise Sonderanfertigungen herstellt oder sehr schwierige Reparaturen ausführt. So entsteht ein lebenslanger Wissensvorsprung des Meisters gegenüber seinen Lehrlingen und Gesellen. In vorindustrieller Zeit sind Berufsjahre und Alter die entscheidenden Garanten von hoher Expertise.

Wie sieht es heute aus? Ich habe Auszubildende kennengelernt, die computergestützte Konstruktionssysteme wesentlich besser beherrscht haben als ihre Ausbilder – von den Geschäftsinhabern ganz zu schweigen. Dies hat Auswirkungen auf das betriebliche Miteinander und ein zeitgemäßes Führungsverständnis.

 

Führung in der industriellen Revolution

Mit der industriellen Revolution erlebte die Führungskompetenz Fachwissen ihren Höhepunkt. Mit dem Einsatz der Dampfmaschine wurden Kräfte geweckt, die nur mit mathematischem-wissenschaftlichen Verständnis sinnvoll nutzbar waren. Handwerkliche Lebenserfahrung reichte nun nicht mehr aus. Um einen effektiven Maschineneinsatz zu gewährleisten, bedurfte es einer mehrjährigen wissenschaftlichen Ausbildung. Während die Mitarbeiter häufig immer wiederkehrenden Routinetätigkeiten ausübten, gleichsam den Zahnrädern im Getriebe, wurden diplomierte Ingenieure und Kaufleute zu den Steuermännern und -Frauen der Industriegesellschaft.

 

Arbeiten im Industriezeitalter - mehrere Zahräder greifen ineinander

 

Diese Personengruppen stellten gleichsam die Spitze und das Ende einer Epoche dar, in der Führungskompetenz in der Arbeitswelt im wesentlichen auf Fachwissen basierte. Diese Epoche endete in 80er und 90er Jahren des 20. Jahrhunderts. Hierfür sind zwei Meilensteine symbolisch:

 

1. Die Vorstellung des IBM-PCs am 12. August 1981

Vor der Markteinführung des PCs war die Anwendung von computergestütztem Arbeiten Spezialabteilungen in Großkonzernen vorbehalten, z.B. im Flugzeugbau. Mit der Einführung des PCs waren nun kostengünstige Computer für kleine und mittlere Unternehmen verfügbar.

 

Bild des heute uralten IBM PCs 1981

 Bildquelle: CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=51833

In den folgenden Jahren entwickelte sich daher im rasenden Tempo Software für alle möglichen technischen und kaufmännischen Anwendungen. Die Folge war eine große Produktivitätssteigerung (wer noch einen Text mit einer Schreibmaschine schreiben musste, weiß wovon ich spreche). Dies führte in den 80er, 90er und 00er Jahren zu einem sehr hohen Innovationsdruck auf Unternehmen und Arbeitnehmer. Wer als Unternehmen nicht abgehängt werde wollte, musste neue Software einführen. Und wer als Mitarbeiter nicht abgehängt werden wollte, musste sich in neue Software einarbeiten. Technische Zeichner lernten CAD, Bürokaufleute lernten SAP, DATEV und Co.

Arbeitnehmer sind heute hoch spezialisiert. Die Folge ist, dass das Fachwissen der Mitarbeiter für keine Führungskraft der Welt mehr vollumfänglich nachvollziehbar ist. An eine Überlegenheit an digitalem Fachwissen der Führungskraft gegenüber den Mitarbeitern ist nicht mehr zu denken. Wenn wir diese Situation mit der vorindustriellen Schuhmacherwerkstatt vergleichen ergibt sich nun ein ganz anderes Bild. Lehrlinge und Gesellen sind dem Meister nun an Fachwissen deutlich überlegen.

Was bleiben dann noch für Aufgaben und Rollen für die Führungskräfte?

10.000 Jahre Menschheitsgeschichte lassen sich nicht von heute auf morgen abschütteln. Ich habe Führungskräfte erlebt, die aus Verunsicherung versucht haben, die Rolle des fachlich überlegenen Handwerksmeisters im digitalisierten Umfeld weiter zu spielen. Dann wurden häufig Fachbegriffe im falschen Kontext verwendet und einsam fachlich falsche und folgenschwere Entscheidungen getroffen, ohne die Mitarbeiter einzubeziehen. Wer versucht, sich auf diese Weise Autorität zu verschaffen erreicht das Gegenteil. Eine solche Führungskraft macht sich lächerlich. Die Loyalität der Mitarbeiter geht gegen null. Im schlimmsten Fall proben derlei „geführte“ Mitarbeiter den Aufstand gegen die Führungskraft. Bevor wir auf die neue Rolle von Führungskräften eingehen, zunächst zum zweiten Meilenstein, der das Ende der vordigitalen Epoche symbolisiert.

2. Die öffentliche Verfügbarkeit des Internets ab dem 6. August 1991

Durch die öffentliche Verfügbarkeit des Internets wurde nahezu jedes Fachwissen für jede Person weltweit verfügbar. Der Zugang zu Fachwissen ist nicht mehr unbedingt limitiert durch den Zugang zu einem Studium, Bibliotheken oder Büchern. Die Explosion des verfügbaren Wissens zeigt neue Grenzen des Wissens auf. Die Begrenzung des Wissens liegt nun bei den Menschen selbst. Durch das Internet sind zu fast jedem Thema mehr Informationen vorhanden, als von einem einzelnen menschlichen Gehirn verarbeitet werden können. Dies veränderte die Bedeutung von Fachwissen nachhaltig.

 

Visualisierung des Internets als ein komplexes Netz mit vielen Knoten

 Bildquelle: CC BY 2.5, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=1538544

Die Führungsrollen der Zukunft

Wenn Fachwissen weltweit verfügbar ist und Mitarbeiter ihren Vorgesetzten in dem notwendigen digitalen Wissen überlegen sind, welche Aufgaben bleiben dann noch für Führungskräfte?
Zunächst finde ich es entscheidend, den Status quo anzuerkennen. Darüber hinaus gibt es jedoch neue Aufgaben und Kompetenzen für Führungskräfte:

1. Aufbau und Erhalt einer Wissenskultur

Das für den Unternehmenserfolg erforderliche Fachwissen verteilt sich auf viele Köpfe. Diese Köpfe zu finden und an das Unternehmen zu binden ist eine zentrale Führungskompetenz. Mitarbeiterbindung ist ein vielschichtiges Thema, ausreichend für einen eigenen Blogbeitrag. Eine offene Fehlerkultur, angemessene Entlohnung und respektvoller Umgang sind hier einige Bausteine für den Erfolg.
Neben der Personalgewinnung- und Bindung, gehört auch der offene Austausch von Wissen zum Aufbau einer Wissenskultur. Natürlich sind nicht alle Interna für die Mitarbeiter bestimmt, jedoch sollten die Mitarbeiter spüren, dass ihnen alle notwendigen Informationen für die eigene Arbeit zur Verfügung gestellt werden. Führungskräfte haben eine Vorbildfunktion beim offenen Umgang mit Wissen. Auch der Aufbau von Wissensdatenbanken und Intranet gehört zum Aufbau einer Wissenskultur.

 

Ein Gehirn mit vielen Punken Farbklecksen symbolisiert Kreativität

 

2. Förderung von Kreativität und Innovation

Finden von neuen Lösungen, Geschäftsfeldern oder Strategien ist meiner Meinung DIE entscheidende Kompetenz der Zukunft. In der komplexen und wenig überschaubaren Arbeitswelt müssen hierzu die Mitarbeiter in diese kreativen Prozesse eingebunden werden. Kreativität gedeiht jedoch nur unter bestimmten Bedingungen:

a) Ein angstfreies Klima

Nur wo auch unsinnige Ideen geäußert werden dürfen entstehen gute Ideen. In einem Klima der permanenten Angst übernimmt das Stammhirn die Steuerung: Angriff (Streit), Flucht (Kündigung) oder Totstellen (Depression, Burn-out) sind drei Grundmuster, die jede kreative Beteiligung der Mitarbeiter verhindern.

Verzichten Sie auf unnötige Drohungen und sorgen Sie für ein angstfreies Klima. Der Unternehmenserfolg wird es Ihnen danken.

b) Realistische Herausforderungen

Nur wer erreichbare Zielvorgaben hat, strengt sich an diese zu erreichen. Weder keine Zielvorgaben noch unerreichbare Zielvorgaben führen zu Höchstleistungen. Die gute alte SMART-Regel (spezifische, messbare, aktivierende, realistische und terminiert Ziele) tut da gute Dienste.

c) Gestaltungsspielraum

Mitarbeiter sollten in einem bestimmten Rahmen eigene Ideen ausprobieren dürfen und spüren, dass ihre kreative Beteiligung erwünscht ist.
Ich bin überzeugt, dass Kreativität die Kernkompetenz der nächsten Jahre darstellt. Im Augenblick erleben wir die Ausbreitung von künstlicher Intelligenz (KI) in zahlreichen Geschäftsfeldern. KI kann lernen, richtige Entscheidungen zu treffen, KI kann jedoch nicht kreativ sein, kein Vertrauen aufbauen und hat kein Fingerspitzengefühl. Durch KI werden mache Routinetätigkeiten wegfallen, andererseits werden Fähigkeiten wie Kreativität, Kommunikation und Einfühlungsvermögen an Bedeutung zunehmen, da diese nicht durch künstliche Intelligenz ersetzt werden können.

Weitere Führungskompetenzen in digitalen Zeitalter:

3. Visionäre Kraft

Die zahlreichen Megatrends erkennen und richtig zu bewerten ist eine immer wichtiger werdende Führungsaufgabe. Welche Trends werden das Unternehmen beeinflussen und wie kann sich das Unternehmen dazu zukunftsweisend positionieren? Visionäre Kraft ist keine Träumerei, sondern harte Arbeit.

4. Kommunikation und Organisation

In der täglichen Flut von Informationen den Überblick zu behalten, die richtigen Prioritäten und Entscheidungen zu treffen ist eine zunehmend anspruchsvoller werdende Aufgabe. Wer als Führungskraft keine gute Selbstorganisation hat, sollte dies unbedingt delegieren. Chaotische Vorgesetzte verunsichern Mitarbeiter und Geschäftspartner.
Gerade in der rationalen Kälte einer digitalisierten Welt ist die empathische Kommunikation ein wichtiges Element der Vertrauensbildung gegenüber Kunden, Kollegen und Mitarbeitern.

5. Selbstreflexion

Eine gute Selbstreflexion ist eine zentrale Kompetenz um sich situationsbezogen angemessen und richtig zu verhalten.
Was geht in mir vor? Ärgere ich mich gerade? Besteht die Gefahr, dass ich meinen Ärger an Personen auslasse (Kunden, Mitarbeitern), die nicht
für meinen Ärger verantwortlich sind? Die Kunden und Mitarbeiter sind dann möglicherweise schneller weg, als ich mir das vorstellen kann. Die Arbeit an der eigenen Selbstreflexion ist eine wichtige Führungsaufgabe der Zukunft.

Es gab digitalisierte Unternehmen, die mit Angst, Druck und unrealistischen Zielvorgaben geführt wurden. Die Folge waren sinkende Umsätze, was zu weiterem Druck führte. So entstand eine Abwärtsspirale, die schließlich in der Insolvenz endete. Der Wandel der Führungskultur ist keine Option zu einer netten „wir haben uns alle lieb Ökonomie“, sondern harte wirtschaftliche Notwendigkeit.
(Bildquellen: Shutterstock, Pixabay, Wikimedia)

Sie haben im digitalen Wandel Erfahrungen mit Führungskräften, als Führungskraft oder als Coach gemacht? Ich freue mich über Ihre Kommentare ...

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