Neuer Job mit 50 plus
Ein erfolgreicher beruflicher Neustart mit 50 plus ist möglich. Damit es gelingt, ist es wichtig, einige Spielregeln zu beachten und den Blick zu weiten.
Ich kann dies mit großer Gewissheit behaupten, denn ich habe es selbst erlebt. Nach vielen Jahren verantwortungsvoller Tätigkeit an der Schnittstelle von Marketing und IT hat mich das Gefühl beschlichen, dass ich noch mal etwas anderes machen möchte. Meine damalige Tätigkeit bestand zu mehr als 90 % aus Arbeit am PC. Interessante und spannende Arbeit aber eben überwiegend PC-Arbeit. Die Arbeit mit Menschen hat mich schon immer gereizt. Als Teamleiter und Bewerbungsunterlagenchecker hatte ich bereits etwas mit dem Thema Menschen und Personal zu tun. Aber dies war noch mehr ein Nebenthema. Gleichzeitig wuchs in mir die Gewissheit, dass ich den damaligen Beruf nicht bis zur Rente ausüben will.
Mit 48 musste ich innerhalb meiner damaligen Brache einen Wechsel zu einem anderen Arbeitgeber vollziehen. Innerhalb weniger Wochen wurde klar, dass der neue Arbeitgeber und ich nicht zusammen passen. Die Folge war eine höfliche aber klare Trennung von beiden Seiten.
Neues lernen
Nun habe ich die Chance ergriffen, um mich auf das Thema Personal zu stürzen. Es kostete einige Wochen Wartezeit und etwas Überzeugungsarbeit bei meinem Arbeitsvermittler, dann war die Bewilligung für eine 6-monatige Qualifizierung zum Personalreferenten da. Bereits nach wenigen Tagen war mir klar: Das ist es, Personalwesen ist mein Thema. Entsprechend viel Spaß hatte ich während der Qualifizierung und habe die Prüfungen mit viermal „sehr gut“ abgeschlossen.
Mit meiner langjährigen Berufserfahrung (IT-Branche) und meiner sehr gut abgeschlossenen Qualifizierung stehen mir nun alle Türen offen, dachte ich. Allerdings war ich nun im 50. Lebensjahr angekommen. Das sollte ich noch zu spüren bekommen.
Klischees und Vorurteile
Viele Bewerbungen gingen ohne Rückmeldung ins Leere, ich sammelte zahlreiche Absagen oder es gab skurrile Telefoninterviews. Bemerkenswert war eine Recruiterin, die mich am Telefon fragte wie denn meine IT-Kenntnisse sind. Okay ich hatte Programmiererteams geleitet, meinen ersten PC von 30 Jahren erworben und zwei Programmiersprachen erlernt. Dies stand alles in meinem Lebenslauf. Nur hatte die Recruiterin einen Lebenslauf gar nicht so weit gelesen, sondern war beim Geburtsdatum hängen geblieben. „Wer dieses Jahr 50 wird, kann keine EDV-Kenntnisse haben“, wird sich die Dame wohl gedacht haben.
Recruiter sind auch nur Menschen und Menschen arbeiten mit Vereinfachungen. Vereinfachungen kippen schnell in Richtung Vorurteil und Klischee. Das sind die realen Widrigkeiten der Generation 50 plus im Bewerbungsprozess. Dazu später mehr.
Dann tat sich zweiter Hinderungsgrund auf. Ich hatte mehrere Jahrzehnte Berufserfahrung, mit relevanten Aufgaben und eine solide Qualifikation. Allerdings habe ich die Tätigkeit als Personaler noch nie in einer Personalabteilung ausgeübt. Ich hätte also in die eine oder andere Aufgabe eingearbeitet werden müssen. Für mich kein Problem, für die Arbeitgeber offenbar schon.
Wer heute einen neuen Job anfängt, sollte möglichst sofort mit 100 % Leistung ohne Einarbeitung loslegen. Dies ist eine utopische Vorstellung, schon allein aufgrund der vielen unterschiedlichen IT-Systeme, und es ist ein weiterer Grund, warum es für Menschen Ü 50 sehr schwer ist, einen neuen Job zu finden.
Neustart
Im Coaching habe ich dann meine Situation genauer analysiert und neue Ziele für mich definiert. Zum einen habe ich mich zum Schritt in die Freiberuflichkeit entschieden. Andererseits habe ich mich auf das Berufsfeld Erwachsenenbildung fokussiert.
Plötzlich sah die Welt ganz anders aus und ich habe mit meinen Bewerbungen fast überall offene Türen eingerannt. Auch für meine IT-Erfahrung fanden sich Anwendungsfelder. Und in der Erwachsenenbildung kann ich meine Marketingerfahrung sehr sinnvoll anwenden.
Fazit
Ja es ist schwerer, mit 50 plus einen neuen Job zu finden als mit 40 oder 30. Die Ursachen sind vielfältig. Ein Hauptgrund ist die Vorstellung von Entscheidern von Ü 50 Kandidaten, die oft wenig mit der Realität zu tun haben. Was für Vorstellungen sind das:
Ü 50 Bewerber haben keine Ahnung von IT (denn als die jung waren, gab es noch keine Computer ...)
Ü 50 Bewerber sind häufiger krank.
Ü 50 Bewerber sind nicht mehr geistig rege und haben keine innovative Kraft mehr. Sie sind unkreativ und sitzen ihre Zeit bis zur Rente ab.
Ü 50 Bewerber verbreiten mieße Laune und schaden unserm Image als junges, hippes Unternehmen.
Wie entstehen überhaupt solche unsinnigen Vorurteile? Ich glaube, das hat sehr viel mit der Datenüberflutung unserer Zeit zu tun. Jeder Mensch wird von mehr Informationen überflutet als sie oder er verarbeiten kann: E-Mails, Telefon, Besprechungen, WhatsApp… Um in dieser Informationsüberflutung noch einigermaßen den Überblick zu behalten greifen Menschen zu Vereinfachungen. Vereinfachungen bieten zwar eine scheinbare Sicherheit, in dem sie einen scheinbaren Überblick über die komplexe Umwelt bieten. Vereinfachungen sind jedoch sehr gefährlich. Das ist in der Politik gerade zu beobachten. Politiker, die mit starken Vereinfachungen arbeiten, haben Hochkonjunktur.
Ü 50 Bewerber haben keine Ahnung von IT
Wer heute 50 ist, war 11 als IBM den ersten PC vorgestellt hat. Die Digitalisierung begann lange vor Instagram und Smartphone in den 80er Jahren mit PC und Commodore C64. Die heute 50-Jährigen haben die Grundlagen der Digitalisierung erlebt. Sie kennen die Vor- und Nachteile unterschiedlicher Betriebssysteme, viele haben eine Programmiersprache gelernt und können einen Computer auseinander bauen und wieder zusammensetzten.
Ü 50 Bewerber sind häufiger krank
Das ist nicht ganz verkehrt. Ich habe in manchen Jahren (nicht in allen) in der Tat etwas mehr Krankheitstage als mit 30. Auch die Statistiken der Krankenkassen scheinen dies zu belegen. Es gibt aber einen einfachen Weg dieses Argument zu entkräften. Dazu später mehr.
Ü 50 Bewerber sind nicht mehr geistig rege und haben keine innovative Kraft mehr
Bildquelle: Von Bundeswehr-Fotos Wir.Dienen.Deutschland. - Flickr: Festakt zur Neueröffnung des Militärhistorischen Museums der Bundeswehr, CC BY 2.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=17804293
Viele innovative Unternehmer oder Künstler haben oder hatten den Höhepunkt ihres kreativen Schaffens mit 50 und später – Steve Jobs, Daniel Liebeskind, Zaha Hadid. Warum ist das so? Wer die 50 erreicht hat, weiß was er oder sie gut kann und was nicht. In diesem Alter konzentrieren sich viele Menschen auf Tätigkeiten, die ihren Talenten entsprechen. Ich will mir gar nicht vorstellen, wie viel kreatives Potenzial verloren geht, weil Unternehmen keine Ü 50 Mitarbeiter einstellen.
Ü 50 Bewerber verbreiten mieße Laune
Psychologen sind sich einig, dass die Lebenszufriedenheit in einer U-förmigen Kurve verläuft. Mit 20 ist die Lebenszufriedenheit recht hoch, sinkt dann ab, bis sie mit Anfang 40 einen Tiefpunkt erreicht. Anschließend steigt die Lebenszufriedenheit wieder kontinuierlich. Statistisch gesehen ist also ein 40-Jähriger mit größerer Wahrscheinlichkeit ein Miesepeter als ein 55-Jähriger.
50 Plus Bewerber kennen und beherrschen die wichtigsten Soft Skills im Beruf: Loyalität, Kundenorientierung und faire Konfliktlösung. Häufig tragen ältere Mitarbeiter mehr zu einem positiven Betriebsklima bei als jüngere Kollegen.
So weit so gut. Solange dies aber nicht in den Köpfen der Personaler und Entscheidungsträger angekommen ist, bleibt die Jobsuche mit 50 plus ein schwieriges Vorhaben. Dass die Position des Recruiters und der Recuiterin in vielen Unternehmen mit Berufsanfängern besetzt wird, macht es ältern Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern nicht einfacher.
Manche Großkonzerne verwenden Software zur automatisierten Bewerbungsunterlagen Prüfung. Das falsche Geburtsdatum alleine kann da schon ein Ausschlusskriterium sein.
Was können Sie also tun dennoch Ihr Potenzial zu entfalten?
1. Suchen Sie passende Berufsfelder
Ich möchte mich lieber von einem 50-jährigen Chirurgen operieren lassen als von einem 28-jährgen. Vermutlich bin damit nicht allein. Alter wird zurecht mit Lebenserfahrung, Sicherheit, Routine und Professionalität in Verbindung gebracht. Suchen Sie sich Berufsfelder, in denen Sie diese Stärken ausspielen können. Diese sind überall da, wo es um den Aufbau von Vertrauen geht, z. B. in der Beratung, im Vertrieb oder in der Repräsentation gegen über Kunden. Ein Firmeninhaber lässt sein Unternehmen nach außen lieber von einem erfahrenen Mitarbeiter vertreten, als von einem Berufsanfänger.
2. Sein Sie ehrlich
Ich halte nichts davon, das Geburtsdatum im Lebenslauf zu verschweigen. Ihr Alter und Ihre Erfahrungen sind Stärken und keine Schwächen. Selbstbewusstes Auftreten bringt hier mehr als Versteckspielen. Ihr Alter lässt sich durch Ihre Ausbildungszeiten sowieso gut einschätzen.
3. Suchen Sie den direkten Ansprechpartner
Über Netzwerke wie XING oder Linkedin lässt sich mit etwas Arbeit häufig der direkte fachliche Entscheider für eine Position herausfinden. Warum nicht den Entscheider direkt ansprechen und hier Ihre Bewerbung platzieren?
4. Konzentrieren Sie sich auf den Mittelstand
Kleine- und mittlere Unternehmen haben häufig flexiblere Prozesse als Großkonzerne. Entsprechend können die Chancen für Bewerber 50 plus hier deutlich besser sein.
5. Lernen Sie dazu
Auch als alter Hase sollten Sie lernbereit bleiben. Java, Arbeitsrecht, DATEV, Wirtschaftsenglisch oder Qualitätsmanagement. Die Bildungsträger verfügen heute über ein weitgefächertes Angebot an Weiterbildungsmöglichkeiten, die genau auf Ihre Berufserfahrung abgestimmt werden. Die Digitalisierung macht es möglich, dass an fast jedem Standort ein umfangreiches Kursangebot von mehreren Hundert Kursen zur Verfügung steht.
Die Arbeitsagenturen wissen um die Bedeutung von Weiterbildung. Wenn Sie bei der Agentur für Arbeit gemeldet sind, suchen Sie sich einen passenden Kurs bei einem Bildungsträger und sprechen Sie anschließend mit Ihrem Arbeitsvermittler über die Verbesserung Ihrer Vermittlungschancen.
6. Ergreifen Sie die Initiative
Im Coaching mache ich immer wieder sehr positive Erfahrung mir Initiativbewerbungen. Erstellen Sie ein Profil Ihrer Kompetenzen. Was können nur Sie außergewöhnlich gut? Dann überlegen Sie für welche Branchen und welche Unternehmen Ihr Know-how interessant ist. Auch wenn diese Unternehmen gerade keine Stelle ausgeschrieben haben: Finden Sie den Ansprechpartner raus und schreiben Sie eine knackige Bewerbung. Das hat zwei Vorteile. Sie haben keine Mitbewerber im Bewerbungsprozess und sie zeigen bereits durch die Form Ihrer Bewerbung Eigeninitiative.
7. Machen Sie sich frei
Wenn sich die Bewerbungsphase wie Gummi in die Länge zieht. Wagen Sie den Schritt in eine freiberufliche Tätigkeit. Als Freiberufler können Sie beweisen, was Sie können, ohne das Sie gleich mit dem Arbeitgeber „verheiratet“ sind. Anschließend erfolgt häufig die Einladung in ein festes Anstellungsverhältnis.
Viele schrecken vor dem Anmeldeverfahren beim Finanzamt und den bürokratische Hürden zurück. Ich darf Sie beruhigen, diese sind überschaubar und auch für diese Schritte gibt es Beratung und Coaching.
Als Freiberufler verdienen Sie mehr als Angestellter. Dafür tragen Sie das Risiko von Krankheitstagen und müssen Ihre Sozialversicherungsbeiträge selbst abführen. Die Sorge um die angeblich häufig kranken über 50-Jährigen entfällt so für den Arbeitgeber.
8. Das liebe Geld
Mit 50 hat man oft noch größere finanzielle Verpflichtungen als mit Ü 60. Die Kinder sind noch in der Ausbildung oder die Immobilie ist noch nicht vollständig abgezahlt. Große finanzielle Einbußen sind also nicht möglich. Dennoch ist es jetzt nicht immer möglich, bei einem Jobwechsel sofort in dem gewohnten Gehaltsniveau einzusteigen. Seien Sie auch hier flexibel und realistisch. Die Chancen stehen gut, dass Sie nach einer vorübergehenden Verschlechterung, bei guter Leistung schnell wieder in das gewohnte Niveau aufsteigen.
(Bildquellen: Shutterstock, Pixabay, Wikimedia)
Wie sind Ihre Erfahrungen mit der Ü-50 Jobsuche? Ich freue mich auf Ihre Kommentare ...